Kultur vom Rande

Diskussion und Fazit

Die Beobachtungen bei der Baustelle Kunst machen deutlich, dass inklusive künstlerische Teilhabe kein Selbstläufer ist - auch nicht in einem bewusst inklusiv konzipierten Festivalrahmen -, sondern aktiv und sensibel gestaltet werden muss. Dabei zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen Anleitung bzw. Vorgaben und Selbstbestimmung, zwischen Schutz und Ausschluss, zwischen guter Intention und unbeabsichtigter Wirkung.

Fehlende Blicke und Ansprachen als unsichtbare Barrieren

Ein zentrales Ergebnis meiner Beobachtungen ist die Bedeutung von Kommunikation - oder deren Ausbleiben. Die Mutter mit dem interessierten Kind, die keine Ansprache erhält, verlässt den Ort - obwohl Teilhabe gewollt war. Solche Situationen zeigen, dass Inklusion nicht nur strukturell, sondern auch atmosphärisch und interaktiv gedacht werden muss. Einladende Blicke, niedrigschwellige Kommunikation, Ansprechbarkeit - all das ist oft entscheidender als das eigentliche Angebot und kann ausschlaggebend dafür sein, dass Menschen sich gemeint fühlen. Inklusion gelingt somit dort, wo Menschen sich gesehen, gemeint und sicher fühlen.

Anleitungen und Vorgaben sind notwendig, aber sensibel zu gestalten

Anleitungen und Vorgaben können Teilhabe ermöglichen, indem sie Orientierung geben - besonders für Menschen, die sich in offenen Settings unsicher fühlen. Gleichzeitig können sie kreative bzw. künstlerische Prozesse einschränken, wenn sie zu starr oder bevormundend wirken. Die Beobachtung, dass ein schüchterner Junge aufgrund enger Vorgaben auswich, verdeutlicht das Risiko, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich ausgeschlossen fühlen, obwohl das Setting eigentlich inklusiv sein soll. Eine inklusive Praxis muss deshalb fein ausbalancieren: zwischen Vorgaben und Offenheit, zwischen Schutz einzelner Beiträge und dem Recht aller auf künstlerische Freiheit.

Machtverhältnisse in der Inklusion

Die bevorzugte Behandlung von Lena kann als Versuch verstanden werden, Menschen mit Behinderung zu stärken. Doch wenn ihre Wünsche unkommentiert über andere gestellt werden, entsteht ein implizites Ungleichgewicht. Inklusion heißt nicht, Einzelne besonders zu behandeln, sondern alle gleichwertig einzubeziehen. Wer über Kunstwerke „verfügen darf“ - und wer nicht -, ist eine Frage von Macht und Teilhabe. Inklusion wird hier zur Aushandlungssache - nicht zur Einbahnstraße.

Fazit

Meine Beobachtungen, Erfahrungen und Erlebnisse beim Festival zeigen: Inklusive und selbstbestimmte künstlerische Teilhabe gelingt nicht allein durch gute Absicht. Sie braucht dialogische Gestaltung, sensible Kommunikation und die Bereitschaft, Machtverhältnisse und Zugänge kritisch zu reflektieren.